Berlin

die gentrifizierung in kreuzberg schreitet voran

zwei meldungen sind mir in der letzten woche aufgefallen, die ich euch nicht vorenthalten möchte. beide beschäftigen sich mit der demografischen veränderung kreuzbergs und den problemen, die daraus entstehen, in diesen fällen beschwerden von anwohnern hinsichtlich des nächtlichen lärmpegels. ein thema, was so gar nicht zu kreuzberg und dem image dieses stadtteils passt. dieses image scheint sich langsam zu einem trugbild zu entwickeln.

bereits seit längerem beschreiben szene-magazine die in kreuzberg stattfindende gentrifizierung, die mit der errichtung eines carloft-hauses in der reichenberger straße ihren vorläufigen höhepunkt fand. zwei welten treffen aufeinander, die alte, gewachsene bewohnerschaft, die teilweise noch in der hausbesetzerszene aktiv war, trifft auf junge, gut verdienende urban professionals, die kreuzberg als szene- und trendbezirk begreifen und sich hier hochwertige immobilien sichern. nachschub an solchen objekten gibt es genug, auch wenn keine sanierungsmasse mehr vorhanden ist (zumindest nicht in dem umfang wie in anderen berliner stadtteilen) erfahren doch regelmäßig mieter, dass sie sich das wohnen in kreuzberg bald nicht mehr leisten können und sehen sich nach günstigeren objekten beispielsweise in neukölln um.

da die bewohnerschaft zudem relativ jung ist, findet noch ein steter wechel der mietobjekte durch familiengründung statt, sodass sich für vermieter auch hier oftmals die möglichkeit für eine mieterhöhung bietet. auch das haus, in dem wir wohnen, ist komplett gewinnmaximiert und kostet einen aufschlag pro etage, die man höher rückt, auch wenn die wohnungen identisch sind. auch eine mieterhöhung haben wir in den anderthalb jahren, die wir hier wohnen, bereits bekommen.

doch nun zu den symptomen, die die gentrifizierung in kreuzberg hervorruft: die erste meldung betraf eine große party, die im görlitzer park über das gesamte osterwochenende stattfand. bereits am ersten abend riefen anwohner die polizei, da ihnen der lärm zuviel war. bemerkenswert dabei ist, dass die party nicht mal in einem haus, sondern halt mitten im görlitzer park stattfand. scheint einigen menschen selbst am karfreitag mit mehreren freien tagen in aussicht nicht akzeptabel zu erscheinen. da kann man sich wirklich nur fragen, warum die dort hingezogen sind, mitten ins partyviertel von 36?

nachricht nummer zwei beschäftigt sich mit meinem lieblingsort in kreuzberg: der admiralbrücke. sobald die temperaturen es zulassen treffen sich hier tag und nacht junge menschen aus der ganzen welt um zu reden, zu lachen, zu trinken, zu spielen, spontane unplugged konzerte zu geben oder einfach nur die stimmung zu geniessen. das ganze läuft in einer bemerkenswert friedlichen stimmung ab, selbst die hin und wieder kreuzenden (proll-) autos scheinen niemanden weiter zu stören.

gestört fühlen sich jedoch auch hier die anwohner, und zwar in erster linie von der geräuschkulisse, in zweiter vom müll und den scherben, die das allabendliche happening natürlich mit sich bringt. dementsprechend treffen sich nun anwohner mit behördenvertretern von der polizei, dem ordnungsamt und dem bezirk. manche fordern die abschaffung der autopoller, die sie wenige jahre vorher erst eingefordert hatten, damit die brücke weniger gemütlich wird. anderen reicht selbst dieser zynische ansatz nicht, sie streben gar pflanzenkübel mit stachel-flora an – hauptsache, die fröhlichen menschen von der brücke verschwinden, man selbst hat ja seinen eigenen platz einige meter höher auf dem balkon und ist auf die brücke nicht angewiesen.

auch hier kann man wohl relativ sicher davon ausgehen, dass die menschen, die diesen ort so lebenswert machen, nicht diejenigen sind, die sich nun beschweren – wer rund um die admiralbrücke wohnt, hat definitiv entweder einen uralten mietvertrag oder einiges in der portokasse, was jeden monat in die wohnung gesteckt werden kann. ankommen, sich die schönste wohnung schnappen und dann die menschen, die sich hier seit jahren wohlfühlen vergraulen – man darf gespannt auf den 1. mai sein. nachtrag: auch das so36 ist grad objekt ähnlicher auseinandersetzungen, mehr zum thema bei blog.rebellen.info und björn böhning

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